Cognitive Walkthrough

AAL-Projektphase
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Erarbeitung des Kundennutzens (WAS)
Erarbeitung der Zielgruppe(n) (WER)
Erarbeitung der Prozesse (WIE)
Erarbeitung des Ertragsmodells (WERT)

Der Cognitive Walkthrough (CW; Dt. kognitiver Durchgang; Durchdenken eines Problems) gehört zu den Methoden der Usability-Inspektion und wird ohne Testpersonen durchgeführt. Dieses Verfahren konzentriert sich weniger auf die Evaluation eines konkreten Produkts, sondern der Schwerpunkt wird auf die mentalen Prozesse eines Nutzers im Rahmen einer hypothetischen (simulierten) Nutzungssituation gelegt.

Einsatz und Nutzen

Der Cognitive Walkthrough ist ein Verfahren, das bereits in den 1990er-Jahren in der Kognitionswissenschaft entwickelt wurde. Als Grundlage für den Cognitive Walkthrough dient das Verständnis, dass der Mensch durch Entdecken lernt. Je leichter ein Produkt somit „explorativ“ verständlich ist, desto einfacher ist es für den Nutzer das Produkt zu erlernen. Die Methode ist eine Technik der Usability-Inspektion und dient als Alternative bzw. Ergänzung zu herkömmlichen Usability-Tests. Anhand von hypothetischen Nutzern wie Gutachter und Experten wird versucht die Benutzerfreundlichkeit von Produkten jeglicher Art (z. B. Systeme, Webseiten, Produkte) zu beurteilen und die Bereiche bei denen für die Nutzer Probleme auftreten können zu identifizieren. Dadurch kann festgestellt werden, ob das Produkt den mentalen Fähigkeiten von potentiellen Nutzern entspricht. Das Ziel dieser Methode ist es, Probleme frühzeitig zu erkennen und Gründe für die erkannten Probleme anzuführen, welche den Produktdesigner helfen sollen, das Problem zu beheben (Pahre, 2005).

Vorteile des Cognitive Walkthrough sind:

  • geringe Kosten
  • schnell und einfach durchführbar
  • schon in frühem Entwicklungsstadium einsetzbar

Nachteile

  • getestet wird meist mit Experten nicht mit echten Nutzern
  • für jede einzelne Aufgabe wird ein eigener Cognitive Walkthrough erarbeitet

Vorgehensweise

Beim Cognitive Walkthrough wird empfohlen, dass zwischen ein und fünf Gutachter bzw. Experten als hypothetische Benutzer die jeweiligen vordefinierten Aufgaben zu einem Produkt bearbeiten. Dabei werden die Aufgaben aus der Sicht des potentiellen Nutzers durchlaufen und überprüft, ob die Handlungen mit dem „idealen“ Lösungsweg übereinstimmen. Die Durchführung des Cognitive Workthrough kann in vier Schritte unterteilt werden, die nach Eichinger (2015) und Pahre (2005) wie folgt beschrieben werden:

Schritt 1: Definition des Inputs
In diesem ersten Schritt werden gewissen vorgelagerte Arbeiten und Überlegungen zu den späteren Nutzern angestellt, aber auch zu den Aufgaben die das eigentliche Produkt unterstützen soll. Fragen die in diesem Zusammenhang auftreten sind:

  • Wer wird das zu entwickelnde Produkt verwenden?
  • Welches Wissen und welche Erfahrungen bringen die Nutzer mit?
  • Welche wichtigen und realistischen Aufgaben können identifiziert werden, die die fiktiven Benutzer bewältigen sollen?

Für jede identifizierte Aufgabe wird der Weg festgelegt, denn der Nutzer idealerweise gehen wird, um die Aufgabe zu bewältigen. Bei mehreren Lösungswegen wird meist der gängigste oder der problematischste Ansatz ausgewählt. Um die verschiedenen Aufgaben prüfen zu können, sind daher meist mehrere Durchgänge nötig. Diese Phase endet mit einer Beschreibung, um die einzelnen Bedienschritte darzustellen und dem Benutzer zu zeigen was er sehen wird.

Schritt 2: Untersuchung der Handlungssequenzen für jede Aufgabe
Der Experte bzw. Gutachter arbeitet sich durch die einzelnen Arbeitsschritte des korrekten Lösungsweges und muss für jede Aktion die Voraussetzungen und die Folgen bedenken. Folgende Überlegungen und Fragen sind an dieser Stelle zu beachten (Eichinger, 2015 und Pahre, 2005):

  • Wird der Nutzer versuchen den richtigen Effekt zu erzielen? Der Benutzer könnte wissen, welche Effekte erzielt werden sollen,
    • weil er Erfahrung in der Bedienung des Produkts/Systems hat oder
    • weil das Produkt/System dazu auffordert oder
    • weil das Teil der ursprünglichen Aufgabe ist.
  • Wird der Nutzer merken, dass die korrekte Aktion verfügbar ist? Der Benutzer könnte wissen, dass eine Aktion zur Verfügung steht,
    • aufgrund der Erfahrung oder
    • weil er eine Ausführungsmöglichkeit (z. B. Menüpunkt, Schalter) sieht.
  • Wird er diese korrekte Aktion mit dem erwünschten Effekt in Verbindung bringen? Der Benutzer könnte eine Verbindung von Aktion und Effekt herstellen,
    • aufgrund der Erfahrung oder
    • weil das Interface auf eine derartige Verbindung hinweist oder
    • weil alle anderen Aktionen weniger vielversprechend erscheinen.
  • Wenn die korrekte Aktion ausgeführt wurde, wird der Nutzer den Fortschritt erkennen? Der Benutzer könnte überzeugt sein, dass alles nach Plan verläuft,
    • aufgrund der Erfahrung oder
    • weil er eine Reaktion in Verbindung zu seiner Aktion bringt.

Schritt 3: Protokollierung kritischer Informationen
Der Benutzer sollte die vorher festgelegte Abfolge von Aktionen nicht abändern. Treten während der Analyse gravierende Fehler auf, dann sollte von einer bereits erfolgten Produktänderung ausgegangen werden und der eingeschlagene Weg fortgesetzt werden. Die aufgetretenen Probleme (z. B. Fehlbedienung), Erfahrungen und Erkenntnisse die der Benutzer für das erfolgreiche Erledigen der Handlungsschritte benötigt müssen protokolliert werden.

Schritt 4: Revision des Interfaces
Im vierten Schritt werden Verbesserungsvorschläge abgeleitet, um das Problem möglicher Bedienschwierigkeiten zu lösen. Auch hier können wieder die vier Fragen bzw. Überlegungen des zweiten Schritts herangezogen werden.

  • Der Benutzer versucht nicht, den richtigen Effekt zu erzielen. Mögliche Lösungsansätze sind:
    • Die Aktion könnte beseitigt werden, indem es vom System übernommen oder mit einer anderen Aktion kombiniert wird.
    • Der Benutzer könnte darauf hingewiesen werden, welche Aktion auszuführen ist.
    • Ein anderer Teil der Schnittstelle könnte geändert werden, so dass klarer wird, warum die Aktion auszuführen ist.
  • Der Nutzer erkennt nicht, dass die richtige Aktion zur Verfügung steht. Mögliche Lösungsansätze sind:
    • deutlichere Präsentation der erforderlichen Aktion (Button hervorheben, Link mittig platzieren)
    • Button, Menüpunkt umbenennen
    • überflüssige Informationen entfernen, damit die benötigte sofort sichtbar ist
  • Der Benutzer stellt keine Verbindung her zwischen der korrekten Aktion und dem gewünschten Effekt.
    • Eindeutigere Beschriftung der Bedienelemente, die realistische Aufgabenelemente repräsentieren müssen.
  • Der Benutzer erhält keine Rückmeldung über seine (erfolgreiche) Aktion.
    • Feedback gestalten, damit der Nutzer weiß das etwas und was passiert
    • oder: direkt den nächsten logischen Arbeitsschritt der Aufgabe anbieten

Materialien

Praxisbeispiele

Fallbeispiel
Das EU-AAL Projekt „Go-myLife“: Einbeziehungsmethoden bei der Konzeptionierung einer mobilen sozial Netwerk-Plattform.
Verfügbar unter: AAL-CaseStudy_Go-myLife (pdf; 650 KB)

 

Go-myLife – Going online: my social Life

 

Quellen

Methodenprofil

Für jede einzelne Methode- und Theorie wurde ein sogenanntes Anwendungsprofil erstellt, um eine bessere Zuordnung und Kategorisierung zu ermöglichen. Eine allgemeine sowie eine Detailbewertung runden das Methodenprofil noch ab. Die Kategorisierung und Bewertung unterteilt sich in unterschiedliche Bereiche und ist wie folgt:

Allgemeine Bewertung

Eignung zur Entwicklung eines Geschäftsmodells
Benötigtes Erfahrungswissen
Zeitlicher Aufwand für die Vorbereitung
Zeitlicher Aufwand für die Durchführung

Spezielle Bewertung

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