Ego-zentrierte Netzwerkanalyse

AAL-Projektphase
Stakeholder
Erarbeitung des Kundennutzens (WAS)
Erarbeitung der Zielgruppe(n) (WER)
Erarbeitung der Prozesse (WIE)
Erarbeitung des Ertragsmodells (WERT)

Diese Methode unterstützt bei der Erhebung und Analyse der sozialen Umwelt bzw. der Beziehungen im sozialen Netzwerk einer einzelnen Person (= Ego). Mittels „Netzwerkkarten“ werden im persönlichen Umfeld der zu untersuchenden Person die relevanten Akteure bzw. Referenzpersonen (= Alteri), die Beziehungen zwischen diesen Personen (= Ego-Alteri-Relationen) sowie die Eigenschaften und Qualität der Beziehungen (Alteri-Attribute) erhoben, visualisiert und gegebenenfalls verglichen.

Die Methode hilft bei der Spezifizierung der zwei Geschäftsmodell-Komponenten „WAS“ (AAL-Lösung) und „WER“ (Zielgruppe) und wird unter aktiver Einbeziehung der direkt betroffenen Stakeholder in einem Workshop-Setting durchgeführt.

Einsatz und Nutzen

Zielsetzung
Die Methode dient der Erhebung und Analyse des sozialen Netzwerkes bzw. der Beziehungen im sozialen Umfeld aus der Sicht einer einzelnen Person (= Ego). Mittels „Netzwerkkarten“ werden die relevanten Referenzpersonen (= Alteri), die Beziehungen zwischen diesen Personen (Ego-Alteri-Relationen) sowie die Eigenschaften und Qualität der Beziehungen (Alteri-Attribute) im persönlichen Umfeld einer Person erhoben, visualisiert und gegebenenfalls verglichen. Für eine vergleichende Analyse sind beispielsweise folgende Parameter interessant:

  • die Größe des persönlichen Gesamtnetzwerkes,
  • die Anzahl an weiblichen und männlichen Kontakten,
  • die Netzwerkgröße pro Netzwerksektor,
  • die Summe der Nähe und Dichte zueinander (z. B. Gesamtdichte, Sektorendichte, Horizontdichte), Star, isolierte Person(en), Brückenperson(en).

Begründung
Die interdisziplinäre Methode basiert auf soziologischen und netzwerktheoretischen Ansätzen zur Entstehung und Struktur sozialer Netzwerke (z. B. von Moreno 1932/34; Mitchel 1969 Stadtnetzwerke; Granovetter, 1973 Strength of weak ties; Jansen 2006, S. 37 – 50). Im AAL-Kontext kann sie zur Erhebung, Visualisierung und Vergleich derzeitiger und zukünftiger, oft vielschichtigen Interaktionsmuster von AAL-Anwender im täglichen Umgang mit Einschränkungen, Pflege oder Vorsorge eingesetzt werden. Die Methode hilft vor allem bei der Erarbeitung der zwei Geschäftsmodellkomponenten „WAS“ (AAL-Lösung) und „WER“ (Zielgruppe) und wird unter aktiver Einbeziehung der direkt betroffenen Stakeholder in einem Workshop-Setting durchgeführt.

Qualitativer und quantitativer Ansatz
Die Methode kann manuell als qualitative Netzwerkanalyse (mit Papier und Stift) oder auch unterstützt von spezieller Software als quantitative Netzwerkanalyse durchgeführt werden.

Vorgehensweise

Im ersten Schritt wird die Forschungsfrage „Welches Netzwerk (Personencharakteristika) soll für welche Zielsetzung erhoben werden?“ festgelegt. Danach werden relevante Personen und deren Beziehungen zum Ego sowie Verbindungen untereinander, innerhalb des gesuchten Netzwerkes in Umfragen (qualitative Interviews) erhoben. Mittels sogenannter „Namensgeneratoren“ wird zunächst eine Liste von Alteri erstellt, die dem Ego-Netzwerk angehören (hilft zur Abgrenzung des Netzwerkes; zeigt den Typ von Beziehungen). Die „Namensinterpretatoren“ helfen, die Charakteristika der erhobenen Beziehungstypen des Egos, zwischen Ego und Alteri und zwischen den Alteris näher zu beschreiben. Im Folgenden einige Beispielfragen für Interviewer (vgl. Zhong, o. J.):

  1. Wer kümmert sich um die Wohnung, wenn der Befragte abwesend ist?
  2. Mit wem bespricht der Befragte Arbeitsangelegenheiten?
  3. Wer hat in den letzten drei Monaten bei Arbeiten im und am Haus geholfen?
  4. Mit wem hat der Befragte in den letzten drei Monaten gemeinsam Aktivitäten wie Ausgehen, Einladungen etc. unternommen?
  5. Mit wem spricht der Befragte gewöhnlich über gemeinsame Hobbys oder Freizeitbeschäftigungen?
  6. Mit wem ist der (unverheiratete) Befragte liiert?
  7. Mit wem bespricht der Befragte persönliche Dinge?
  8. Wessen Ratschlag holt der Befragte bei für ihn wichtigen Entscheidungen ein?
  9. Von wem würde sich der Befragte Geld leihen?
  10. Wer lebt als erwachsene Person im Haushalt des Befragten?

Abschließend werden die Beziehungen mittels Netzwerkkarte veranschaulicht, bewertet und verglichen (papierbasiert oder digital). Es gibt unstrukturierte Netzwerkkarten, strukturierte Netzwerkkarten sowie strukturierte und standardisierte Netzwerkkarten.

Vorteile des Vorgehens

  • Einfacher Erhebungsaufwand
  • Systematische Identifikation von betroffenen „Mit“-End-Anwendern/Stakeholder im Umfeld von älteren Menschen

 Nachteile des Vorgehens

  • Gültigkeitsprobleme, da nur aus Sicht des „Egos“ erhoben wird
  • Keine vollständige Gesamt-Netzwerk-Erhebungen möglich (Netzwerkpartner-Beziehungen untereinander)

Materialien

Softwareunterstützung zur Erstellung der Netzwerkkarten:

VennMaker – Tool zur Erhebung egozentrierter und interaktiver Netzwerkbeziehungen Quelle: Wikimedia Commons - Kronenwett, 2012
VennMaker – Tool zur Erhebung egozentrierter und interaktiver Netzwerkbeziehungen
Quelle: Wikimedia Commons – Kronenwett, 2012

Praxisbeispiele

Fallbeispiel
Das EU-AAL Projekt „Go-myLife“: Einbeziehungsmethoden bei der Konzeptionierung einer mobilen sozial Netwerk-Plattform.
Verfügbar unter: AAL-CaseStudy_Go-myLife (pdf; 650 KB)

Quellen

Methodenprofil

Fazit zur Nutzung in AAL-Projekt-Kontexten

Die egozentrierte Netzwerkanalyse kann optional unterstützend und ergänzend zur Stakeholder-Analyse eingesetzt werden. Sie eignet sich besonders gut für AAL-Projekte, weil hier Netzwerke (der EndanwenderInnen) eine wichtige Rolle spielen – ein Verständnis dieser Netzwerke ist eine wichtige Voraussetzung zur Einschätzung und Bewertung, welchen Nutzen eine AAL-Lösung für die Zielgruppen hat, und wie diese Lösung am effektivsten zum Einsatz kommt. Es ist eine unterstützende Technik, die sowohl Erkenntnisse für die (technische) Entwicklung der Lösung liefert als auch die Konzeption des Geschäftsmodells für den Betrieb.


Allgemeine Bewertung

Eignung zur Entwicklung eines Geschäftsmodells
Benötigtes Erfahrungswissen
Zeitlicher Aufwand für die Vorbereitung
Zeitlicher Aufwand für die Durchführung

Spezielle Bewertung

Erarbeitung des Kundennutzens (WAS)
Erarbeitung der Zielgruppe(n) (WER)
Erarbeitung der Prozesse (WIE)
Erarbeitung des Ertragsmodells (WERT)